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Samstag, 20. August 2011

Interview zum Thema: Anwendungsmöglichkeit und Grenzen von Social Media als Marketing-Instrument im B2B-Kontext


Matthias Spies: Herr Trömel, gleich zu Beginn die Frage, kann durch die Nutzung von Social Media durch Unternehmen heutzutage noch ein Wettbewerbsvorteil erzeugt werden bzw. kann man sich dadurch noch von der Konkurrenz absetzen?

Marc Trömel: Ja, man kann sich immer noch große Wettbewerbsvorteile verschaffen. Die Situation stellt sich heute folgendermaßen dar. Zum einen haben noch nicht alle Unternehmen ein Facebook oder Twitter Acoount. Zum Anderen stellt man bei vielen Unternehmen, die diese bereits haben fest, dass sie teilweise nicht ideal umgesetzt sind oder gängige Fehler gemacht werden. Auch muss man feststellen, dass bei vielen noch kein Gesamtkonzept zur Integration ins Unternehmen besteht. Die Frage, wie kann ich mit Social Media meine Sales-Aktivitäten fördern, wurde von vielen Unternehmen noch überhaupt nicht gestellt.

MS: Unterschätzen die Unternehmen bisher die Wirkung von Social Media beziehungsweise auch das Potential, welches dort steckt?

MT: Das ist in den Brachen unterschiedlich. Es gibt Unternehmen, bei denen auf Vorstandsebene beschlossen wird: „Das Thema Social Media ist für uns einer der zentralen Bausteine der Unternehmensstrategie für die nächsten zehn Jahre.“ Hier wird Social Media als eine der größten Managementaufgaben des nächsten Jahrzehnts erkannt. Diese Konzerne sehen viel Potential darin. Es gibt jedoch auch die, die fragen, was ihnen ein Facebook Account bringen soll. Dies hängt sehr stark von der Personalpolitik der Vergangenheit ab. Unternehmen, die sich viel Personal aus dem Media Bereich geholt haben, besitzen meist einen sehr großen Weitblick. Setzt sich das Personal eher aus Ingenieuren bzw. Vertrieblern zusammen, die den direkten Zugang zur Medienwelt nicht haben, sind diese dort oft sehr vorsichtig und wissen mit dem Thema noch nicht wirklich etwas anzufangen. Jedoch befinden wir uns hier gerade in einer Umbruchphase.

MS: Angenommen ein Unternehmen hat sich eine Strategie zurechtgelegt und nutzt Plattformen wie Twitter, Facebook, Blogs usw. Intensiv. Besteht hier auch die Gefahr eines „Information-Overload“ für die Konsumenten bzw. Nutzer?

MT: Theoretisch schon. Jedoch arbeiten viele Unternehmen mit entsprechenden Messkennzahlen, um kontinuierlich zu tracken, wie viel Personen denn überhaupt noch die Angebote wahrnehmen. Darauf aufbauend optimieren sich die Unternehmen dann im Social Media Management dahingehend, dass sie erkennen, welcher Content die optimale Frequenz erreicht. Hier wird durch das Controlling mittlerweile begonnen dies zu optimieren.

MS: Das bedeutet jedoch, dass sich die Unternehmen darüber im Klaren sein sollten, dass wenn man Social Media sinnvoll verwenden will, man ein Controlling-Instrument mit verwenden muss, sonst führt das ganze ins Nichts?

MT: Richtig. Das Controlling der Social Media Aktivitäten ist einer unserer größten Wachstumsmärkte. Die Strategien sind meist relativ schnell erstellt. Doch das Controlling und die Analyse der Ergebnisse, sowie die daraus abgeleiteten Maßnahmen sind mit unsere Hauptarbeit und auch das, was nachher die durch Social Media erfolgreichen von den nicht erfolgreichen Unternehmen trennt. Bei LG z.B. wurden, vor der Arbeit mit Social Media, erst einmal Controlling-Insturmente entwickelt. Erst dann wurde Aktivitäten begonnen. Hier jedoch dann eben auch nur solche, die sich gut in die Controlling-Instrumente einfügten. Darauf aufbauen wurde dann eine Gesamtstrategie entwickelt. LG fährt mit dieser Taktik äußerst erfolgreich.

MS: Wenn wir das Beispiel „Second Life“ betrachten fällt auf, dass diese Plattform seinen Zenit überschritten hat. Wie ist hier Ihrer Meinung nach die Aussicht für Facebook und co.? Sind das nur Modeerscheinungen oder werden sich diese zu einem fest etablierten Mittel entwickeln können?

MT: Natürlich ist der große Hype um „Second Life“ vorbei. Jedoch hat die Plattform durch die Konzentration auf Kunst und Kultur eine Nische gefunden, in welcher sie auch weiter wachsen wird. Ähnlich ist es mit „MySpace“. Dort wurde die Musik und Videos auch eine Nische gefunden, in der sie es schaffen sich zu halten. Und ich gehe davon aus, dass es einigen der momentan gehypten Plattformen ähnlich ergehen wird. Die meisten Netzwerke werden zu Nischennetzwerken werden. Denn es kommen auch weitere Neuerungen nach. Denken wir nur an „Google+“ im Moment. Wir dürfen auch Unternehmen wie Microsoft oder IBM nicht vergessen, die in der Schiene auch drin sind und dort an tollen Konzepten im Sinne des „Enterprise 2.0“ stricken.

MS: Im B2B-Bereich ist Social Media ja noch nicht so weit verbreitet. Es gibt zwar einige Unternehmen, welche die Plattformen nutzen, jedoch wird es oft noch gar nicht verwendet. Wieso ist der Unterschied zwischen dem B2C und dem B2B-Bereich hier noch so groß, haben die Unternehmen eventuelle noch Angst vor den möglichen Gefahren von Social Media?

MT: Das liegt zum einen natürlich daran, dass diese Netzwerke von den Nutzern des B2C-Bereichs schneller angenommen wurden. Im zweiten Schritt kam dann der Gedanke auf, dass das was für Konsumenten funktioniert, auch im B2B funktionieren könnte. Daraufhin kam dann die Welle der ersten Business-Netzwerke. Jedoch gibt es im B2B Umfeld eine Zweiteilung. Die  Technologieunternehmen wie IBM usw. haben die Thematik fast genauso schnell umgesetzt wie im B2C. Je weiter man sich jedoch von den Experten hier entfernt, desto weniger wurde Social Media bisher erkannt. Doch je mehr Social Media sich auch im privaten Bereich durchsetzt, desto mehr werden weitere Unternehmen auf den Zug aufspringen. Die Wettbewerber bekommen das Engagement eines Konkurrenten in den Social Media oft auch mit und versuchen dann nach zu ziehen.

MS: Debbie Mayo-Smith erläutert anhand ihres „freasy“-Argumentes (Wortkreation aus free und easy) die Kosten-, Zeit- und Komplexitätsersparnisse durch den Einsatz von Social Media Marketing. Ist eigentlich der Kostenvorteil oder besser gesagt die Kosteneffizienz die diese Plattformen bieten von den Unternehmen denn überhaupt schon erkannt worden?


MT: Von den meisten Unternehmen in der Breite des B2B-Sektors wurde es bisher nicht erkannt, dass Social Media aktiv Kosten sparen kann. Serviceunternehmen und Callcenter-Betreiber haben dies jedoch erkannt und werben auch vermehrt damit. Es gibt zwar schon die ein oder andere Studie; dies ist jedoch bisher erst im Expertenkreis ein Thema.

MS: Das ist jedoch bestimmt ein Punkt, der für Unternehmen in Zukunft relevant werden könnte?

MT: Natürlich. Die Kostenersparung ist ein riesiger Stellhebel. Wir konnten einem B2B-Unternehmen mit einem europaweit angelegten „Service 2.0“-Konzept, bei welchem in Foren und Blogs direkt auf Probleme der Kunden reagiert wurde, dadurch einen großem Teil seiner Callcenter-Kosten einsparen.

MS: Hier ist natürlich auch ein Vorteil, dass ich diese Kosteneinsparung direkt berechnen und somit greifen kann. Den Wert eines Followers oder Fans auf den Sozialen Netzwerken zu bestimmen erweist sich als äußerst schwierig. Dadurch kann dies in der Zukunft für Unternehmen doch attraktiv sein, sich mit der Thematik der Kosteneinsparung zu befassen.

MT: Genau. Den ersten Nutzen, den Social Media gestiftet hat, lag im Bereich der Imageförderung. Der zweite im Bereich Sales, z.B. über Twitter oder Blogs, wo ich Visibility erzeuge und mehr Leute auf meinen Page oder meinen Shop hole. Und der dritte wird wahrscheinlich die Kosteneinsparung.

MS: Sie haben das Thema Imageförderung angesprochen. Manche Experten sagen, dass es empfehlenswert ist, die Social Media Aktivitäten den PR-Abteilungen zu überlassen. Jedoch denke ich, dass Social Media über PR und Image hinaus geht, da sich durch Social Media ja viel breitere Möglichkeiten bieten, wie Technischer Support o.ä.!?

MT: Da bin ich vollkommen Ihrer Meinung. Ich höre auch immer wieder, dass gesagt wird Social Media sei PR oder Service. Ich habe jedoch festgestellt, dass wir in den Unternehmen für ca. 14 Funktionsbereiche arbeiten. Dazu gehören Abteilungen wie Qualitätsmanagement, Riskmanagement, Lobbying, Human Resources, Brand-Management, Marktforschung, CRM, und und und… Daher ist Social Media eindeutig ein Top-Management-Thema und damit eigentlich die größte Management-Herausforderdung dieses Jahrzehnts. Es muss von oben herab beschlossen werden, dass es umgesetzt wird. Es sollte eine Koordinationsstelle geschaffen werden, die idealer weise mit Vertretern aus verschieden Fachbereichen, aus verschiedenen Ländermärkten besetzt ist. Diese Leute müssen dann entscheiden, welche Monitoring-Instrumente eingesetzt werden, welche der Ziele sollen über Social Media erreicht, welche Reportingprozesse müssen geschaffen werden. Unterhalb dieses Gremiums sind dann die einzelnen Fachabteilungen oder Ländermärkte, die innerhalb dieses Rahmens eine eigenständige Social Media Strategie umsetzten sollten, die dann Bottup-Up laufen muss. Das Gremium muss jedoch Top-Down durchgesetzt werden.